Tuesday, August 3, 2010

9. Bericht: Litauen - Estland

Es regnet wieder einmal und wir sitzen in der WiFi Zone eines Campingplatzes. Diesmal in der Hauptstadt von Estland, Tallinn. Ja, unsere Reise hat uns schon so weit gebracht und wäre die Fähre morgen nicht ausgebucht, müssten wir schon morgen die baltischen Staaten verlassen. So bleiben uns doch noch zwei Tage bis zum Sprung über das grosse Nass nach Finnland.

Lettland


Mit Anina bereisten wir drei Tage die nordwestliche Küstenregion Lettlands. Nach dem Abholen vom Flughafen besichtigten wir beim Engures-See wilde Pferde und Rinder und machten Anina gleich mit den hiesigen Bremen bekannt. Wir mussten nach 15 Minuten gleich nochmals kehrt machen und konnten den Ausflug dann dank Antibrumm im zweiten Anlauf doch noch geniessen. Dann ging es der Küste entlang in Richtung der Landspitze wo das Rigaer Meer und die Baltische See zusammenstossen. Für die Übernachtung reichten uns nun keine einfachen Parkplätze mehr, da Anina in unserem Zelt schlief. Wir fanden einen ersten Schlafplatz direkt am Meer, doch das algige Wasser lud nicht zum Baden ein. Dafür lauschten wir News aus der Schweiz und spielten Tantrix, welches wir bei Becky und Will kennengelernt hatten und bei Anina "bestellten".

Wilde Pferde und Rinder.


Trotz dunkler Wolken und einigen Regentropfen liessen wir uns den Spaziergang zur Landspitze in Kolka nicht entgehen und fuhren nach dem Mittagessen im Büssli auf holperiger Piste an die eindrücklichen Steilküsten von Jurkalne. Am nächsten Tag ging's dann ins Landesinnere, wo wir in Kuldiga das Dörfchen besichtigten, wobei das Besuchermagnet eine Wasserstufe im Fluss natürlich nicht fehlen durfte.

In der Rigaer See und dem Baltischen Meer


Die Steilküste von Jurkalne.


Die Wasserstufe in Kuldiga - Wasserholen.


Am nächsten Tag setzten wir Anina in Riga ab und stellten nach einem Kaffee mit Schrecken fest, dass wir die erste Busse am Büssli hatten. Anscheinend war der Parkplatz doch nicht gratis, aber das Symbol zeigte auch keine Parkuhr und den Text darunter verstanden wir nicht.

Südöstlich von Riga besuchten wir die Gedenkstätte in Salaspils. Die Gedenkstätte wurde von den Sowjets 1967 auf dem Gebiet des ehemaligen KZs errichtet. In einem Block aus Stein schlägt ein Metronom, als Symbol für den Herzschlag der über 100'000 ermordeten Menschen. Das Bu-Bumm halt über das ganze Gelände, was sehr bedrückend wirkt. Zu sehen sind zu dem fünf riesige Statuen aus Beton (typisch sowjetisch).

Die sowjetische Gedenkstätte in Salaspils.


Danach war uns der Abstecher nach Sigulda sehr willkommen. Im Gauja-Nationalpark soll es wunderbare Wanderungen geben. Doch leider beschränkten sich die Infos, die wir erhielten auf kleine "Touri"-Spaziergänge. Uns war jedoch mehr nach einer Tageswanderung zu Mute und so beschlossen wir nach der Besichtigung der Ordensburgruine und des Schlossparks weiter zu fahren.

Meli wählte dann den perfekten Schlafplatz an einem See. Der Driska-See liegt in Mitten eines Kiefernwalds, hat vom Moor rot gefärbtes Wasser und ist etwa doppelt so gross wie der Katzensee. Anfangs waren noch einige Wochenendgäste am See, doch die zogen langsam aber sicher ab und so hatten wir am frühen Sonntagabend den See für uns allein. Ein Traum. Wir beschlossen gleich einen Ruhetag einzulegen, lasen in der Hängematte und genossen das Baden im See. Als Höhepunkt fanden wir auf einem Spaziergang sogar Eierschwämme und Heidelbeeren fürs Abendessen. Ans Spazieren war dann natürlich nicht mehr zu denken, nur noch ans Sammeln...

In der Hängematte - Meli im Pilzsammelfieber.


Unsere Beute.


Am nächsten Tag war dann wieder Sightseeing angesagt. In Cêsis besuchten wir die tolle Burgruine. Wir konnten mit Kerzenlaternen in den Gemäuern herumsteigen, was der Besichtigung zusätzlich mittelalterliches Ambiente gab. Auch sonst ist das Städtchen ganz nett, aber uns zog ein Tipp einer Frau vom Driska-See in das alte Brauhaus, wo eine zeitgenössische Ausstellung junger Künstler mit z.T. grossen Installationen besichtigten. Nach einem Einkauf wieder zurück beim Büssli bekamen wir dann einen Schrecken. An der Autoscheibe klebte wieder ein verdächtiger Zettel. Nicht schon wieder eine Busse! Doch es war nur ein lieber Feriengruss von Christina, Katrin und Anne aus Lachen SZ. Herzlichen Dank, leider haben wir sie nicht persönlich angetroffen.

Die Burgruine von aussen - und von innen mit Latterne.


Die alte Brauerei - Eine der vielen Installationen.


Auf dem Weg in Museum des Barons von Münchhausen folgten wir dem Tipp der Touriinfo und füllten unsere Wasserkanister an einer Quelle in eine Tal, in dem man sogar Biberbauten sehen soll. Von denen sahen wir leider nichts, dafür entdeckten wir etwas weiter hinten im Tal Sandsteinfelsen mit Inschriften. Wahrscheinlich ritzen hier Hochzeitspaare schon seit mindestens 1839 ihre Namen in den Stein.

Wasserholen an der Quelle - Die Ritzereien in Sandsteinfelsen.


Das Münchhausen Museum war dann leider eher ein Reinfall. Es gab "nur" einen Raum in dem Figuren und Gegenstände aus den Geschichten des Barons aufgestellt waren (z. B. Enten an einer Schnur, die der Herr Baron mit einer Speckschwarte "aufgefädelt" hat). Leider aber keine Infos zu den erfundenen Geschichten. Auch der angepriesene Spaziergang durch den nahen Wald bis zum Meer, auf dem ebenfalls Figuren aus Münchhausens Leben gezeigt werden, war zwar naturmässig gesehen schön, aber ohne Infos zu den Geschichten eher langweilig.

Der Baron von Münchhausen und seine Enten.


Da das Wetter wieder einmal auf Hitze stand suchten wir für die Übernachtung wieder einen Platz mit See. Wir hatten Glück und fanden einen Platz direkt am See und konnten vor dem Gewitter noch eine erfrischendes Bad geniessen. Wir hatten bis jetzt auf unserer Reise wirklich Glück mit den Übernachtungsplätzen. Wenn es wirklich heiss war, haben wir meistens einen See in unmittelbarer Nähe...

Estland


Bezüglich Strassenzustand in Estland hatte uns der erste Eindruck getäuscht. Denn die Strasse nach Rouge war der reinste Flickenteppich. Jetzt nach einigen hundert Kilometer mehr, müssen wir diesen Eindruck berichtigen. Die Strassen sind in Estland wahrscheinlich am besten unterhalten (im vergleich zu den anderen zwei baltischen Staaten). In Rouge bekamen wir Infos zu verschiedenen Spaziergängen (wieder keine Eintageswanderungen, arghhhh...), besichtigten die Umgebung von einem Aussichtsturm mit modernem 3 kW Windrad und beschlossen am nächsten Tag einen Spaziergang den aus der letzten Eiszeit geformten Seen entlang so auszudehnen, dass er 15 km lang wurde (wir organisierten uns keinen Rücktransport). Doch zuvor fuhren wir noch auf den höchsten Punkt im Baltikum, das sind immerhin sage und schreibe 318 m. Auf dem Suura Munamägi genossen wir dann die Aussicht vom 29 m hohen Aussichtsturm (Juhuu wir sind auf 346 m. ü M.). Die Nacht verbrachten wir auf dem wohl höchsten Pass, ca. 50 m unterhalb des Turms.

Der Aussichtsturm - Aussicht über das Baltikum.


Die Wanderung der Seen entlang begann mit einem Teil des Energiepfads von Rouge. Wir sahen neben dem schon erwähnten Windrad "hydraulic rams". Das ist eine alte Technik um Wasser mittels Wasserdruck in die Höhe zu spritzen und Felder zu bewässern. Leider verbraucht die Methode etwas viel Wasser und so werden sie heute eigentlich nirgends mehr eingesetzt. Wir waren wohl die ersten, die dieses Jahr den Wanderweg nutzten. An vielen Stellen mussten wir uns durch hohes Grass kämpfen. Die sechs Seen waren meistens von Schilf und Sumpf umgeben und Baden wäre nur an ein oder zwei Stellen möglich gewesen. Diese Stellen waren aber wie immer im Baltikum perfekt eingerichtet. Steg, Feuerstelle, Abfallkübel und z.T. überdeckte Tische. Am Ende der Wanderung noch vor dem Mittagessen wurden wir mit Hinni Canyon belohnt, einer kleinen Sandsteinschlucht, ca. 10 m tief und sehr idyllisch. Der Rückweg war dann weniger idyllisch, denn wir hofften auf eine Mitfahrgelegenheit per Autostopp und wanderten der Hauptstrasse entlang. Daraus wurde leider nichts, dafür waren wir zurück beim Büssli richtig durchschwitzt und es war klar, dass wir wieder einen Übernachtungsplatz mit See brauchten. Wir fanden ihn dann am Phüajäry-See. Der See gilt als einer der saubersten Seen in Estland und wurde 1992 sogar vom Dalai Lama besucht, welcher ihn gleich segnete.

Aussichtsturm mit moderner Windturbine - "hydraulic ramp".


Auf der Wanderung - Ein Picknickplatz.


Der Hinni Canyon.


Auf unserem Weg Richtung russischer Grenze übernachteten wir am viertgrössten See Europas, dem Peipsi Järv (3'555 km2) welcher auch die natürliche Grenze zu Russland bildet. Auf dem Weg dorthin und der anschliessenden Platzsuche, vertieften wir unser Verhältnis zur Ausländischen Polizei gleich zwei Mal. Das erste Mal war auf einer Schotterstrasse mitten in einem Pinienwald, wo Raphi zu Alkohlkontrolle angehalten wurde. Ok, wir hatten gerade einen Platz mit etlichen in Wochenendstimmung campierenden Esten passiert, was die Polizei wohl zu dieser Massnahme greifen liess, um die Bier-Nachschubholer aus dem Verkehr zu ziehen.

Den zweiten Kontakt hatten wir dann nach dem wir endlich einen Platz gefunden hatten. Es war der einzige Weg in Richtung See, der nicht mit einer Barriere gesperrt war oder ein Schild das Befahren verbot. Trotzdem kam dann ein Mann und versuchte uns auf Russisch Geld für den Platz abzuknöpfen. Auf Melis charmante Lächeln liess er dann jedoch von den Geldforderungen los und verscheuchte dafür einen weiteren Camper, der hinter uns parkte.

Der Strand am Peipsi Järv - unappetitliche tote Fische.


Kurze Zeit später sassen wir am See, der uns eher wie das Meer schien. Man sieht das andere Festland (Russland) nicht und der Strand hat sehr feinen Sand. Nur die vielen toten Fische (wohl vom letzten Sturm) vernichteten unsere Pläne eines Bads. Wir sassen also Tantrix-spielend am "Meer" als plötzlich eine Polizeisirene in der Nähe unseres Büsslis erklang. Als Raphi dorthin eilte, erklärten ihm zwei Polizisten, dass man nicht zwischen den Bäumen parkieren dürfe. Dass wir hier übernachten wollten, verschwieg Raphi bewusst. Als er mit der Hiobsbotschaft zu Meli zurückkehrte, tauchte auch gleich wieder der andere Mann auf. Leider klappte die Verständigung auf Russisch und mit Händen und Füssen nicht, und so rief er seinen Sohn per Mobile. Wir erfuhren in der Zwischenzeit, dass er Andrei heisse und merkten, dass er sehr bemüht war uns einen Platz zu verschaffen. Der Sohn zeigte uns dann den Privat-Campingplatz der Familie nur 50 m neben dem Verbotenen. Diesmal hinter einer Schranke, wo wir eine ruhige Nacht verbrachten.

Achja, dieser Tag hatte uns noch eine weitere Geschichte. Unser Wasser wurde nämlich langsam knapp und niemand konnte uns eine Quelle oder einen Brunnen mit Trinkwasser angeben. Wir versuchten unser Glück also auf einem Campingplatz und trafen dort einen Zürcher, der mit dem Velo auf dem Weg nach Moskau ist. Nach einem kurzen Schwatz waren unsere Kanister voll, doch leider war die Wasserqualität nicht zufriedenstellend. Es roch irgendwie modrig. Raphis Idee Wasser aus dem Peipsi See fürs Kartoffelkochen zu nehmen, fanden wir dann angesichts der vielen toten Fischen und vieler Schwebestoffen auch nicht gerade optimal. Es gab also Picknick zum Abendessen und für den Kaffee am Morgen benutzten wir Mineralwasser, welches wir über Nacht entgast hatten.

Am nächsten Tag besuchten wir die Grenzstadt Narva. Sie liegt am gleichnamigen Grenzfluss zu dessen Seiten zwei riesige Burgen stehen. Wir konnten natürlich nur jene auf der estnischen Seite betrachten. Die Stimmung in der Stadt war ganz komisch. Irgendwie viel zu ruhig. Man hörte kaum ein Vogel pfeifen. Die Grenzkontrolle schien auch nicht vorwärts zu gehen. Es hatte eine lange Schlange mit Autos und eine weitere mit Fussgänger. Bei einigen Autos wurde sogar ein Blick in die Motorhaube geworfen. Irgendwie beeindruckend. Wie hätte wohl die Kontrolle bei uns ausgesehen?

Auf dem Weg Richtung Tallinn fanden wir dann doch noch einen Campingplatz mit Trinkwasser. Den 1. August verbrachten wir im Laheemaa Nationalpark. Wir spazierten am späteren Abend den Waldlehrpfad entlang, fanden aber von den hier vorkommenden Bären, Elche und Luchse nur Kratzspuren. Der Wald an sich war aber auch sehr eindrücklich. Etwas ähnlich dem Bialowietza Nationalpark, war dieser hier doch bis vor wenigen Jahren eine streng geschützte Zone. Nach dem Waldlehrpfad genossen wir den Abend unter der von Meli's Bruder geschenkten Schweizer Fahne bei Würsten und Kartoffelsalat.

Auf dem Waldlehrpfad - Kratzspuren eines Bären?


Unser 1. August Festmahl - das dekorierte Büssli.


Heute haben wir vor dem am Anfang angesprochenen Regen Tallinn besichtigt und uns ein Fährticket nach Helsiniki besorgt. Die Altstadt von Tallinn ist sehr mittelalterlich geprägt und es gibt viele alte Gemäuer, Kirchen und Stadtmauerteile zu sehen. Per Audioguide liefen wir die 3stündige Stadttour und erfuhren viel Wissenswertes über die Entstehung und Entwicklung der schönen Hansestadt.Trotz den vielen Touristen hat uns Estlands Hauptstadt, im Vergleich mit Vilnius und Riga,am besten gefallen!


Eindrücke aus Tallinn.


Zum Abschluss möchten wir einige der schönsten Schlafplätze in den baltischen Staaten zeigen:



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